Bewegungsfelder

 

Erst vor einem halben Jahr zog die Galerie Skulpturale  von der Fischergasse 35 in die Hofstatt 1, und es findet in den neuen repräsentativen, hohen Räumen bereits die dritte Gruppenausstellung auf hohem, künstlerischen Niveau statt. Die bewährte Vorgehensweise, nach einem gedanklichen Prinzip  unterschiedliche Ausdrucksformen und Positionen verschiedener Künstler   nebeneinander verbindend, oder polarisierend einander gegenüber zu stellen, ergibt auch auf weniger Grundfläche wieder eine spannende Themenausstellung. Die dezidiert sparsame, form- und inhaltsbezogene  Auswahl der einzelnen Exponate und der ruhige Aufbau erzeugen Bewegungen, deren eindringliche, dynamische Felder von den Werken in den Galerieraum und bis auf die Straße  strahlen.

Georg Cevales´ expressiv informelle Bildentwürfe auf dick mit Farbe getränktem, Büttenpapier, ziehen selbst bei knapper Zeit den Passanten in Bann. Er verweilt und schaut durch die Scheibe. Diese ziert neuerdings das einstige Motto der Skulpturale im Stadtteil Paradies von Konstanz: … wie Figuren im Paradies … Der Blick wandert weiter nach hinten in den Galerieraum, bleibt haften auf einer schwarzblauen, abstrakten Seelenlandschaft von Susan Stadler, schwenkt unweigerlich nach links jn unmittelbare Nachbarschaft, zu einer recht ungewöhnlichen Figur von Biwi Köppel;  im zweiten Schaufenster zwei „Lichtschimmerbahnen“ von Thomas Riedel  und die schaukelnde Silberfigur „Caspar Hauser“ von Wolfgang Ueberhorst–  die Neugier ist geweckt; das guckt der Betrachter sich besser im Inneren, aus nächster Nähe an.

„Raccogliete ogni spiraglio di speranza, voi chi entrate!“ (Ihr Eintretenden, sammelt jeden Hoffnungsschimmer – aus diesen Werken – ein!) möchte man ausrufen, wenn der Blick auf das große Gemälde „Rhapsodie“ von Sonja Klebe fällt, so dynamisch schmettern die orangenen Leuchtstreifen ihre Fanfaren aus dem Schwarz heraus. Orange tönt das Echo von der gegenüberliegenden Wand zurück. Abgewandelt, scheinbar leiser, die Dynamik weniger in der Farbe als in der Spachtelführung gebunden, wirken die zwei Querformate von Susan Stadler als elastische Auffangfelder, welche die stolze Bewegung des Klebegemäldes subtil im ganzen Raum verteilen.

Davor harmonisiert Biwi Köppels „Gärtnerin der Liebe“ die großangelegten, sich überschneidenden Diagonalen des skulpturalen Gesamtaufbaus. Der Blick der „Gärtnerin …“  ist leicht nach links, quer durch den Raum auf Wolfgang Ueberhorsts Figur „La ragazza di Rai Uno“ gerichtet und unterstreicht so gleichzeitig die Achse zwischen „La ragazza …“ und Köppels „Argentinischer Witwe“.

Die „Gärtnerin…“ selbst ist Teil einer zweiten, von oben rechts vorne („Farfalla“ – Schmetterling: Ueberhorst) nach unten links hinten („Elementargeist V. aus einem jeden Motor“ : Köppel) diagonal durch den gesamten Raum verlaufenden, großangelegten, dynamischen Achse. Alle diese Skulpturen sind im Wachsausschmelzverfahren, „cire perdue“,  gewonnene Bronzen und haben ideomotorische und/oder kinetische Bewegungseigenschaften.

Thomas Riedel, ehemaliger Schüler von Stefan Wewerka an den Kölner Werkschulen, untersucht auf sehr direkte Weise das Thema Bewegung. Aus fahrenden Zügen entstehen durch Langzeitbelichtungen seine Bilder als feinste Digitaldrucke. Hier und da glaubt der Betrachter Reste eines Sujets zu erkennen, welche wie in den aristotelischen Zeitpunkten gefangen, kettenartig wiederholt aneinandergereiht sein könnten. (Motiv 1983/blaugelbes Quadrat) Die hochauflösenden Vorlagen erreichen im Druck extrem nuancierte Farbabstufungen und haarfeine Texturen, welche unmöglich mit dem Pinsel zu erzielen sind. (Motive 6729 und 8610) Riedels „Lichtschimmerbahnen“ sind hochempfindliche, komplexe Farbkonkretionen an der Grenze des technisch Möglichen, … wie Seifenblasen im Paradies!

 

*

 

Diese Galerie hat sich inzwischen als überregionaler Geheimtipp etabliert und bietet hochwertige Originalkunstwerke sogenannter „hidden treasures“ des Kunstmarktes zu fairen Preisen. Flachware von 65,- € bis 12. 800,- €    Skulpturen von 980,- € bis 148.000,- €

 

Arturo Eskuchen

Lindau, 16. 12. 2014