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Pressetext: ".. so
stösst man auf die Photoserie von Thomas Hannappel, welche zweifellos zu den
bemerkenswertesten Arbeiten der Ausstellung SerientäterInnen (2017) und zu
einem der interessantesten bildnerischen Ansätze in der deutschen
Nachkriegsphotographie gehört. Das,
was für den oberflächlichen Betrachter wie eine aus vielen Bildteilen
zusammengesetzte rätselhafte Collage erscheinen mag, ist in Wahrheit eine
einzige, völlig unbearbeitete Belichtung eines tatsächlich gegebenen hoch komplexen
Raumes. Dankenswerterweise
stellt Hannappel der Serientäterausstellung fünf Objekte zur Verfügung,
welche von ihm nicht als autonome Skulpturen verstanden werden, sondern aus
den Requisiten zu seinen Bildern stammen und für das Verständnis seiner Serie
wichtig und hilfreich sind. Ihr Vorhandensein dient dem Betrachter zur
Orientierung, wenn die fortwährende Irritation seiner räumlichen Vorstellung
durch die Dimensionsverschiebungen von Drei- zu Zweidimensionalität, von Raum
zu Bild, noch gesteigert wird. Wir
finden nicht eine ausschliesslich im Photo erlebbare Wirklichkeit - ähnlich
der nur als Computeranimation erlebbaren virtuellen Realität - sondern wir
sehen das Photo einer tatsächlich im Aussen erlebbaren Wirklichkeit von hoher
Komplexität. Der Wahrheitswert kehrt sich um, wenn wir plötzlich die
Stichsägespuren entlang einer "Bildkante" entdecken, welche wir für
den Collagenschnitt einer Photomontage gehalten hatten. Unser
in jahrelangem Sehtraining von Photographien einseitig "geschultes"
Bewusstsein wird wachgerüttelt. Das Wissen um die Eigenständigkeit
photographisch erzeugter Kunstwelten bricht ein angesichts einer schlicht
abphotographierten, zuvor aber realiter geschaffenen eigenständigen
Aussenwelt. Diese Welt verschwindet nach dem photographisch-dokumentarischen
Akt und von ihr bleibt ausser dem Bild nichts übrig. Hannappels
"Welt" ist nicht als Photo entstanden, nicht durch dasselbe erst
generiert worden; stattdessen tritt sie, physisch vorhanden, gewissermassen
mit Lichtgeschwindigkeit in das Medium Photo ein und verschwindet, existiert
danach nur noch als Abbild, welches dadurch, dass das Abgebildete selbst
bereits entschwunden ist, zum einzig autonomen Zeugnis und gewissermassen zum
"Ereignis 2" wird. Dieses
"neue Reale" bleibt als abgebildete Vergangenheit dauerhaft
gegenwärtig; die abgebildete Wirklichkeit wird zum allein verfügbaren
Wahrheitswert über das entschwundene Ereignis. Das nicht mehr zugängliche
Ereignis wird so zur verbrauchten Requisite seiner selbst. Die Welt generiert
das Photo und entschwindet. Damit wird die entschwundene Welt zur
gestaltgebenden Kraft für das photographische Bild - dieses wird
erklärtermassen zum alleinigen Kunstwerk. Es überrascht keineswegs, dass
Thomas Hannappel in brieflichem Kontakt mit dem Philosophen Paul Virilio
(Buch: "Ästhetik des Verschwindens") steht." Wolfgang Ueberhorst, 2015 |
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