Die Ruhe nach dem Sturm

 

Eine ruhige Ausstellung von großer Kraft zeigt die Lindauer Galerie Skulpturale seit dem 21. November in ihren Räumen.

 

Über hundert einzelne Schichten verdichten sich in Philipp Haagers kraftvoll eleganten Tuschebildern jeweils zu einem meditativen, eindringlichen Farbklang, welcher dem aufmerksamen Betrachter, so er bereit ist, sich darauf einzulassen,  einen ruhigen, konzentrierten Weg durch die Malerei hindurch in die eigene innere Stille anbietet.

 

Unaufdringlich und hochverdichtet führen die äußerst sensibel angelegten „Kondensate“ von Norbert Pümpel den kontemplativ verweilenden Besucher ebenfalls in die Stille; es ist die Stille eines gleichermaßen lang angelegten und geduldig ausgeführten, nacherlebbaren schöpferischen Aktes. Mit Hilfe unterschiedlicher Bitumensorten, Ölfarben und mit verschiedenen Lösungsmitteln setzt Pümpel jeweils einen Prozess zur Bildwerdung in Gang. Das Materialhafte steht im Vordergrund. Die einzelnen Mischungen werden aufeinander losgelassen, die Reaktionen ausgereizt. Unter Pümpels Regie brauen sich nach den Gesetzen von Physik und Chemie Bilder scheinbar wie von selbst zu kondensierter Poesie zusammen.

 

Eine persönliche künstlerische Wende präsentiert die sublime Malerei Pierluigi Guglielmos. Das enfant terrible der achtziger Jahre, gleichermaßen begabt für den Freejazz, wie für die Malerei, übermalt häufig frühe, teils sehr wilden Gemälde. Hier zeigt er eine größere Arbeit, übermalt und nahezu flächendeckend beruhigt mit Rosa. Das energetische Potential in dem darunterliegenden Bild geht nicht verloren, es wird transformiert zu einer neuen, strahlenden Gesamtkraft. Daneben eine neue Reihe von feinfühlig hingehauchten, eigenständigen Pinseltupfern, „Tinta die carne“ betitelt, welche von ferne Roy Lichtensteins Popartidee, dem „brushstroke“ als überhöhten, selbständigem Bildinhalt zu huldigen, mit anklingen lassen. Guglielmos Tupfer sind im Wortsinn „absolute“ Pinselspuren; wie eine Gruppe Einzeller, im Untertitel auch „cellule“ genannt, schweben sie über die jeweilige Leinwand, die anschließend mit fünf anderen in einer Sechsergruppe zur vielzelligen Bildsequenz angeordnet wird.

 

Drei Bronzeskulpturen von Wolfgang Ueberhorst sind allesamt ohne festen Stand und erkennbar aus einer jeweils indifferent, labilen Schaukelposition zur Ruhe gekommen. Mit diesem genial einfachen Umstand unterstreichen sie auf eindringliche, nahezu respekteinflößende Weise die umfassende, wohltuende Gesamtruhe dieser neuen Skulpturale Ausstellung.

 

Zum Jahresabschluß bietet die Galerie ein weiteres Highlight für alle Kunstinteressierten in der Region an. Must see!!!

 

 

Lindau, 1. Dez. 2015 

A. Eskuchen