Pressetext: „vorwiegend heiter“

„Vorwiegend heiter“ heißt die derzeitige Ausstellung der Galerie Skulpturale, welche weitere Arbeiten der jungen Maler Simone Albert und Lukas Thein zeigt und diese auf  erhellende Weise mit abstrakten Bildern von Susan Stadler kombiniert.

Ein Selbstportrait von Simone Albert stimmt auf die  Ausstellung ein. Die Figur entzieht sich, in der Mitte liegt die Unschärfe, die klare Kontur weicht zum linken oberen Bildrand. Nicht Entschlüsseln oder  Ent-decken, sondern  Entrückt sein ist thematisiert.  Ein Schweben hinter und in den Dingen,   im Zustand des Ahnens, scheint gemeint. Das paradigmatische Zeugnis einer Generation, welche  die folgende Erfahrung  macht:  Innerhalb der poetischen Wiedergabemöglichkeiten erlebbaren  Alltags  wird angesichts  der Komplexität unserer Außenwelt  das eigene Erleben von einer „Unschärferelation“  bestimmt.  Je deutlicher ich fokussiere, um mir  Klarheit zu verschaffen, desto verschwommener wird das, was von meinem Erlebten übrig bleibt    die klar wahrnehmbaren Dinge werden dabei zu Randerscheinungen.

Wie  kann ich innerhalb  eines Bildes und  mittels  desselben Wahrheit erzeugen? Wieviel     „Möglichkeitssinn“  muss ich entwickeln, um innerhalb der Auswahl  einer Farbpalette  malerisch eine „Echtheit“ auch dann noch erhalten zu können, wenn die  Wahl  der verwendeten Farben sich längst  nicht mehr am Wirklichkeitsgefüge exakter  Wiedergabe orientiert.  Treffender als wiedererkennbare  Genauigkeit im Objekt  ist Gewissenhaftigkeit  im  seelischen  Ausdruck.  Hervorgerufen wird ein solcher Ausdruck durch die Farbe .  In gekonnt  kühner Farbwahl setzt Lukas Thein dem Betrachter seine Rätselwelt vor, ein wenig distanziert, keineswegs unterkühlt –  gebremstes  Appassionato. Kühnheit plus Verzweiflung – erlebt man die Ruhe vor oder eine Ruhe nach dem Sturm?  Der Betrachter wird mitunter in der Beschäftigung mit derartigen Fragen   wie selbst in Theins Bildwelt hinein gesogen, um sich oftmals  dort als  Einziger wieder zu finden; trifft er auf Figuren,  geben sie wenig von sich preis. Aufgrund von Bildausschnitt oder Perspektive sind diese oft nur als Torsi angelegt, auf deren Accessoires das Hauptaugenmerk fällt. Eine Hose, ein Gewehr, ein Badetuch oder Gummistiefel werden zu den eigentlichen  Protagonisten einer feingeistigen und eindrucksstarken  Malerei.

Dazwischen angeordnet die radikal andere Position von Susan Stadler. Frei von jedwedem literarischen  Ansatz, wirkt die Farbe ausschließlich in ihrer Licht- und Materialhaftigkeit. Sie fordert und fördert ein von literarisierbaren Bildinhalten freies Sehen. Die Farbmasse wird auf dem Bildträger bewegt und hinterlässt sichtbare Spuren. Dabei arbeitet die Künstlerin horizontal  mit eigens von ihr gefertigten unterschiedlichen Rakeln auf dünnen Aluminiumverbundschichtplatten, welche, wenn anschließend aufgehängt, die Farbe vor der Wand zu schweben lassen scheinen. Auf diesen Platten braucht Ölfarbe besonders lange, um zu trocknen; die einzelnen Malschritte vollziehen sich nur langsam, und der Gesamtprozess erfordert viel Zeit. Entsprechend konzentriert muss die Künstlerin vorgehen und ihre Bewegung, welche sie mit der Rakel ausführen will, antizipieren und verinnerlichen. Entscheidung und Akt sind spontan, nicht beliebig. Die Sparsamkeit der Mittel erfordert ein Höchstmaß an Genauigkeit. Zen in der Kunst, die Rakel zu führen.

Obwohl mit nur wenigen Exponaten vertreten, ist die Teilnahme von Susan Stadler von besonderer Bedeutung für die Ausstellung . Ihre meisterhafte Beherrschung von Farben und Proportionen hat Bilder geschaffen, welche ein hohes Potential an atmosphärischer Interaktionsfähigkeit in sich bergen und zu unmittelbarer Kommunikation mit den anderen Exponaten fähig sind. Ihre Werke tragen erheblich dazu bei, dass auch die anderen Gemälde mit Bildinhalten aus der realen Gegenstandswelt losgelöst von dieser als abstrakte Kompositionen erfasst werden können. Die Kombination von Stadlers konkreter Grundposition mit den neueren Strömungen junger, zeitgenössischer Malerei erzeugt eine sehr gelungene Gesamtschau.

 

Lindau, den 11.09.2014                                                                                                           Arturo Eskuchen