
Beteiligte
KünstlerInnen
Kathrin Graf →
Biwi Köppel →
Ulrich Lang
Frauke Morlot →
Saskia Niehaus →
Wolfgang Ueberhorst →
Am 15. April wurde unter dem derzeitigen Ausstellungstitel
„WOmen“ eine "exhibition in progress" eröffnet. Jeweils drei Frauen
und drei Männer aus dem Norden, Süden und Westen der Republik, zeigen derzeit
Frauenbildnisse und/oder bildhauerische Positionen zum Thema „Frau“.
Seitdem Paare als Kunstschaffende auftreten, seit der großen
konkurrenzbetonten Gemeinsamkeit so bedeutender Namen wie Rodin/Claudel,
Ernst/Tanning ist die Frage nach einer geschlechtsspezifischen Umsetzung ein
und derselben Thematik von Interesse.
Diese Ausstellung wird getragen von dem Wunsch aufzuzeigen, wie
Frauen ablesbar anders als Männer „Frauen“ und „Männer“ darstellen, und sie
wird sich in dem Wunsch solches sichtbar zu machen allmählich verändern, bis
am 8.Juli im Rahmen einer Finissage das letzte „Weibsbild“ einem „Mannsbild“
weichen wird.
Unter den derzeit vertretenen
Künstlern präsentiert die Bonner Künstlerin Kathrin Graf mit drei
Videoarbeiten : „Wundbar“ –„Dünnhäuter“ – und „Hämophilie“ Positionen zum
Thema Weiblichkeit, wobei sie den Fragen nach der Körpergrenze, der
Eigenverfügbarkeit, dem Verlieren und (Aus)-bluten nachgeht. Die absichtlich
schüchtern verschämte Inszenierung des Videos „Wundbar“ weicht einer ebenso
gewollten, bis ins Süßliche übersteigerten slow-motion- und Quasi-
Weichzeichner - Ästhetik bei „Hämophilie". Entscheidendes leisten in
beiden Videos die punktuell und phrasierend eingesetzten, verfremdend
verstärkten, aufschreckenden und beängstigenden Soundtracks. Die Kamera
verharrt dabei unbewegt, keine Schwenks, keine Zoom- Dramaturgie- es brodelt
im Tatsächlichen!
Die anfängliche scheinbare Unveränderlichkeit weicht einer
rapiden, unaufhaltsamen Auflösung – die eigene Haut hält den Körper nicht
mehr, die desolate Vernichtung schreitet exponentiell voran, klinisch sauber
und distanziert beobachtet in „Dünnhäuter“
*
Saskia Niehaus, Meisterschülerin von
Timm Ulrichs und seit Jahren eine feste Größe in der rheinischen Kunstszene
ist mit mehreren Pappmaché – Arbeiten und Gouachen vertreten. Auf liebevoll
skurrile Art verleiht sie dem äußerst fragilen Material eine besondere
Bedeutung, entführt es aus der Welt des kindlichen Werkstoffes und läßt es
gerade im Zusammenhang mit der jeweiligen Thematik zum sinnvollen
bildhauerischen Ausdrucksmittel werden. Wir sind hier nicht im
Bastelunterricht, hier werden keine Karnevalsmasken präsentiert – etwas
Feinsinn ist schon angebracht, um die ver- und zerstörende Hintergründigkeit
aufzuspüren, die als Harmlosigkeit getarnte Bosheit in der Bearbeitung
klassischer Themen, Eros und Thanatos im Pulverfaß.
*
Die Hand , die stickt, stickt Hände – damit setzt die
Hamburgerin Frauke Morlot regelrechte Assoziationskaskaden frei. Von der
Selbstreferentialität der Motivwahl zur Redundanz des Mediums Stickerei, über
die mittelalterlichen, höfischen Stickzirkel, wie dem einer Reine Mathilde,
die mit ihren Hofdamen im Teppich von Bayeux die männlichen Schlachtengreuel
Wilhelms des Eroberers in einen gut 50 m langen Frühcomic verwandelt, über
die Anmutung des Kultischen innerhalb der berühmten Renaissancevorbilder für
den meditativen Handwerksprozess zur Herstellung dieser Kleinodien, bis zu
deren angenehm unprätentiöser Darbietung, für welche sich ein Kürzel aus der
Computerwelt anbietet: wyswyg = „What you see, (is) what you get“
*

Ulrich Lang
aus Hamburg präsentiert in einer Mischung aus norddeutscher Kühle und
rheinischem Leichtsinn zwei aktuelle Installationen anlässlich der Tagung
deutschsprachiger Psychotherapeuten in Lindau.
„Die
ängstliche Cellistin“ verbirgt sich unter dem klassisch analytischen Mobiliar
von Couch und Sessel ohne auf die aufreizend rote Farbigkeit von Lippenstift
und Nagellack zu verzichten.
Das alles verpackt und verborgen im
handlichen und schützenden Etui des geheimnisvollen Streichinstruments, das,
wie kein zweites, weibliche Formen nachbildet und zum Klingen bringt. Neben
der hartschaligen, schönen und geliebten Musikantin erbleicht die kalte
Mutter an ihrer Seite zur kühlen Ernährerin. Ein Frauenbild, das fiktiv und
zugleich historisch belegt ist. „Muttermilchsammelstelle“: das
technokratische Unwort ist dem Handbuch der nationalsozialistischen
Menschenzucht entnommen. „Die deutsche Mutter und Ihr erstes Kind“ lautete
der Titel der Anleitung zur Säuglings- und Kinderpflege von Dr. Johanna
Haarer, 1936. Bis in die späten 1960er Jahre wurde die gesunde, artgerechte
Ernährung gepriesen, verbunden mit dem Hinweis, die liebevolle Fürsorge und
zärtliche Zuwendung um Gottes und des Führers Willen nicht zu übertreiben.
Der kindliche Kleinmensch gerate sonst zu weich, dem Körpereinsatz in Leben,
Dienst und kriegerischem Sterben nicht gewachsen.
Gut gekühlte Mutterliebe nährt bis
heute den eingangs erwähnten Berufsstand der Seelenheilkunde; Frauenmilch,
wie das Nahrungsgut heute heißt, erfreut sich ebenfalls weiterer Beliebtheit.
Ein intimer, illegaler und unregulierter Markt von Milchkleinmengen tut sich
auf, Mütter spenden still und stillend, Forscher forschen, letztere lüstern
und begierig, vermuten sie doch embryonale Stammzellen im Substrat mit
gewaltigem wirtschaftlichem Potential im Life-Style-, Health Care- und
Wellness-Business.
Der
Künstler zeigt in diesem Kontext eine
ironisch-gespenstische Sanitärinstallation. Er bestreitet, sich von
Cellistinnen verwöhnen und von Müttern verwirren zu lassen. Milch mag er.
(Vgl. „ Frühjahrsputz im Schleckerland“, Reinigungs- und Initiationsritual
einer Galerie, 2012.)
*
Der aus Landshut stammende Bildhauer
Biwi Köppel ist mit geistvollen Maquetten und kleineren Figurenskizzen
vertreten. Seine Originalfassung der bekannten Sardinenbüchsenvenus´,
ausgeführt in getrocknetem, ungebrannten Ton und ediert als Bronzeserie ist
innerhalb der Ausstellung köstlich humorvoll zusammen mit einer Arbeit von
Saskia Niehaus präsentiert, welche unter Verwendung desselben Materials eine
neidvoll auf die schlanken Venusleiber Köppels blickende griesgrämige Alte
ohne Unterleib in einem Strickknäuel als Behausung zeigt. Ein Meisterwerk
Köppels ist die in der vorderen Vitrine gezeigte "Berggeist"-Figur,
welche in der Formensprache der neuen Figürlichkeit die Wesenszüge einer in
Würde alternden und kränkelnden Dame in einer Weise erfaßt, als sähe man den
zu diesem Wesensbild gehörigen Menschen des Nachts beschwerlich über einen
Flur schlurfen.
*
Der aus Bonn stammende Bildhauer
Wolfgang Ueberhorst läßt Frauenfiguren aus Eisen, Bronze und Silber
auftreten.
Als lebendigen Akzent innerhalb der
Ausstellung fügt er eine kleine und eine große Bronzeskulptur auf einem
gemeinsamen Sockel zusammen und läßt so eine Schaffensperiode anklingen, in
welcher die "Figur innerhalb einer Figur" sein Thema war.
Die kleinere seinem Don
Giovannizyklus entnommene "Frau um die Dreißig" trifft auf "La
ragazza di Rai Uno" (Das Mädchen aus dem Ersten Programm) - eine über
zwei Meter hohe "beschwingt tanzende" Bronze.
Beide Figuren sind direkt in Wachs
aufgebaut und bewahren dank dieser Technik ihre ursprüngliche Frische auch in
der Bronze.
Die Skulpturen sind in der von
Ueberhorst entwickelten Formensprache für eine Neue Figürlichkeit angelegt,
welche in der italienischen Kunstwelt nachhaltige Beachtung gefunden hat;
"... il tuo nuovo figuratismo ..." (Crochetti)
In der Neuen Figürlichkeit wurde
nicht das Erscheinungsbild, sondern das Wesensbild bestimmend für den
Ausdruck. Dieser Ausdruck ist angelegt in einem der menschlichen Figur
entlehnten Aufbau und heute wie damals gleichermaßen aktuell.
Ueberhorsts Ziel war es, dem Menschen
in seinen komplexen Lebenslagen für dessen Bewußtseinszustände ein bildhaftes
Gegenüber zu schaffen. In den Figuren dieser neuen Richtung sollte sich der
Zeitgenosse innerlich wiederfinden, und man sollte der Figur bei zeitloser
Gültigkeit ansehen, aus welcher Zeit sie stammt, " ... ob die DNA
bereits entdeckt ..." /entschlüsselt sei.

(Fotos: Thomas
Wortmann)
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